- Italien: Auf dem Weg zur Republik
- Italien: Auf dem Weg zur RepublikIn Italien begann der politische Neuaufbau schon im Juli 1943, als die Armeeführung, die offenkundige Niederlage vor Augen, mit Unterstützung König Viktor Emanuels III. gegen Mussolini putschte. Die Übergangsregierung unter Marschall Pietro Badoglio ließ die Bildung politischer Parteien, freier Gewerkschaften und einer freien Presse zu und schloss am 3. September einen Waffenstillstand mit Großbritannien und den USA, deren Truppen Anfang Juli in Sizilien gelandet waren und jetzt auf Rom zu marschierten. Dem befreiten Italien wurde der Status einer an der Seite der Alliierten Krieg führenden Macht eingeräumt und die Regierung mit Verwaltungsaufgaben in den befreiten Gebieten beauftragt.Allerdings reichte der Einfluss der neuen Regierung nur so weit, wie die britischen und amerikanischen Truppen vorankamen. Nach dem Waffenstillstand besetzten deutsche Truppen Ober- und Mittelitalien bis zu einer Verteidigungslinie zwischen Tyrrhenischem Meer und Adria. Das besetzte Gebiet unterstand nun einer Militärverwaltung; italienische Soldaten wurden deportiert und, wenn sie sich geweigert hatten, ihre Waffen abzugeben, erschossen. Die Regierung Badoglio setzte sich nach Süden ab, zunächst nach Bari, dann nach Salerno. Im besetzten Gebiet etablierten die Deutschen ein Kollaborationsregime, die Repubblica Sociale Italiana, mit Sitz in Salò am Westufer des Gardasees. An ihrer Spitze stand erneut Mussolini, der von deutschen Fallschirmtruppen in einer spektakulären Aktion befreit worden war. Er verfügte jetzt nur noch über eine beschränkte Autonomie; Terror und »Rassenkampf« verschärften sich. Die Regierung Mussolini musste Arbeitskräfte nach Deutschland schicken, die Juden des besetzten Gebiets wurden unter aktiver Beteiligung der Polizei deportiert.Gegen das faschistische Regime und die deutschen Besatzer wurde eine paramilitärische Widerstandsbewegung, die Resistenza, ins Leben gerufen. Im Laufe des Jahres 1944 wuchs sie auf über 200000 aktive Kämpfer an. Etwa die Hälfte davon wurde von den Kommunisten organisiert, 20 Prozent von der radikaldemokratischen Aktionspartei, die übrigen 30 Prozent von katholischen, sozialistischen und autonomen Gruppen. Parallel dazu bildeten sich nationale Befreiungskomitees, die neue Bürgermeister, Präfekten und Polizeipräsidenten ernannten und in den von den Partisanen befreiten Gebieten auch durchsetzten.Die Resistenza und die AlliiertenDie alliierte Militärregierung sah die Aktivitäten der Resistenza mit gemischten Gefühlen. Insbesondere die Briten fürchteten, sie könnten zu einem nationalen Aufstand unter Führung der Kommunisten führen, der in die Etablierung eines kommunistischen Regimes hätte münden können. Die alliierte Militärregierung setzte daher in den von ihren Streitkräften befreiten Gebieten zumeist Repräsentanten der traditionellen Mächte und Vertrauenspersonen der katholischen Kirche als Verwaltungsleiter ein.Die Furcht vor einer kommunistischen Machtergreifung war freilich unbegründet. Stalin war sich bewusst, dass Italien zum vorrangigen Interessengebiet der britischen Verbündeten gehörte. Folglich hatte er sich damit zufrieden gegeben, dass die Sowjetunion nur eine beratende Stimme in der Alliierten Kontrollkommission erhielt. Nach der Rückkehr des kommunistischen Parteisekretärs Palmiro Togliatti aus dem Moskauer Exil im März 1944 wurden die kommunistischen Partisanen angewiesen, mit den Alliierten und der Regierung Badoglio zusammenzuarbeiten. Die Kommunisten traten daraufhin in die Regierung ein, ebenso die weiteren antifaschistischen Parteien mit Ausnahme der Aktionspartei. Revolutionäre Kräfte, die auf einen Sturz Viktor Emanuels und Badoglios drängten, hatten das Nachsehen. Nach der Befreiung Roms am 4. Juni 1944 zog sich der König unter amerikanischem Druck aus der Politik zurück. Badoglio reichte daraufhin seinen Rücktritt ein, der gemäßigte Präsident des Nationalen Befreiungskomitees, Ivanoe Bonomi, übernahm das Amt des Ministerpräsidenten; die politischen und militärischen Organe der Resistenza wurden als bevollmächtigte Organe der Regierung in den von Deutschen besetzten Gebieten anerkannt.Die Befreiung Norditaliens gelang den Partisanen weitgehend aus eigener Kraft. Entsprechend sorgten sie für eine personelle Erneuerung der Verwaltung, ließen Kollaborateure von improvisierten Sondergerichten verurteilen und nahmen demokratische Reformen in Angriff. Als Partisanen den Duce entdeckten, der mit seiner Geliebten in die Schweiz zu fliehen versuchte, exekutierten sie ihn ohne jedes Verfahren. Der Leichnam wurde auf einem zentralen Platz in Mailand aufgehängt zur Schau gestellt.Abkommen mit dem alliierten Oberkommando und der Regierung Bonomi im Dezember 1944 beschränkten die Autorität der Befreiungskomitees allerdings auf die Zeit bis zur Ankunft der alliierten Truppen, und am 1. Juni 1945 etablierte die alliierte Militärregierung ihre Oberhoheit auch in Norditalien. Zum Ausgleich rückte die Regierung noch einmal nach links: Unter dem Vorsitz von Ferruccio Parri, dem bisherigen Leiter der Partisanenverbände der Aktionspartei, wurde eine Allparteienregierung gebildet, die die Säuberung und Demokratisierung des Landes energisch vorantrieb.Den Christdemokraten und Liberalen war das Tempo, das Parri anschlug, jedoch zu forsch. Um die Koalition zu retten, willigten die Kommunisten im Dezember 1945 ein, eine neue Regierung unter dem Christdemokraten Alcide De Gasperi zu bilden, in der die Position der Linken deutlich schwächer war.Die Republik ItalienDer neue Regierungschef De Gasperi stellte die politische Säuberung ein und ließ die von den Befreiungskomitees eingesetzten Präfekten durch Berufsbeamte aus der Zeit des Faschismus ersetzen. Gleichzeitig ging er zu einer liberalen Wirtschafts- und Finanzpolitik über, die für die Anhänger der Sozialisten und Kommunisten nur schwer erträglich war.Selbst in der Frage der Staatsform steuerten die bürgerlichen Kräfte der Regierung De Gasperi einen restaurativen Kurs. Mit der Entscheidung, das Volk direkt über die künftige Staatsform abstimmen zu lassen, eröffneten sie der bereits totgeglaubten Monarchie noch einmal eine Chance. Mit 54 Prozent ging die Volksabstimmung am 2. Juni 1946 auch sehr knapp aus — allerdings zugunsten der Einführung der Republik.Die gleichzeitigen Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung ließen die Christdemokraten mit über 35 Prozent der Stimmen zur mit Abstand stärksten Partei werden. Sozialisten und Kommunisten folgten auf den nächsten Plätzen, konnten zusammen aber kaum mehr Mandate erringen als die Christdemokraten. Die Liberalen, in der Zeit vor dem Faschismus die angestammte Regierungspartei, wurden mit 6,8 Prozent zu einer Minderheitspartei. Noch dramatischer war der Niedergang der Aktionspartei: Obwohl sie in der Resistenza eine prominente Rolle gespielt hatte, entschieden sich nur 1,5 Prozent der Wähler für sie. De Gasperi aber sah sich in seinem Kurs der gemäßigten Neuordnung bestätigt.Nachdem der Friedensvertrag vom 10. Februar 1947 die parlamentarischen Hürden passiert hatte, steuerte De Gasperi unter dem Druck des rechten wie des linken Flügels seiner Partei auf einen Bruch mit den Kommunisten zu. Ende Mai 1947 schieden die Kommunisten und, aus Solidarität mit ihnen, die Mehrheit der Sozialisten aus der Regierung aus. Der beginnende Kalte Krieg trug wesentlich zur Polarisierung bei. In den Wahlen vom 18. April 1948 erlangte die Democrazia Cristiana mit über 48 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Mandate. Sie begründete damit ihre Dauerherrschaft in der Nachkriegszeit, die von einer Daueropposition der Kommunisten und Mehrheitssozialisten begleitet wurde.Prof. Dr. Wilfried LothGrundlegende Informationen finden Sie unter:Achse Berlin-Rom: Partnerschaft von Hitler und MussoliniSrant, Paul: Die politischen Säuberungen in Westeuropa am Ende des Zweiten Weltkrieges. Aus dem Französischen. Oldenburg u. a. 1966.
Universal-Lexikon. 2012.